Ein Teil von „Bayerisch Kanada“ war vor 60 Jahren schon dem Untergang geweiht
Ein interessanter Bericht über das ehemalige Wirtshaus und Sägewerk in Gstadt südlich des schwarzen Regens von Edith Wühr, veröffentlicht am 27.08.20 in Viechtach Aktuell:
Viel war in letzter Zeit wieder die Rede von „Bayerisch Kanada“, gerade in Zusammenhang mit dem Verbot des gewerblichen Kanuverleihs. Aber auch als landschaftliches Juwel für Wanderungen wird der idyllische Abschnitt des Schwarzen Regens von Gumpenried bis Viechtach von den Touristikern beworben und von Einheimischen wie Gästen gleichermaßen geschätzt. Viele wissen heute vermutlich nicht mehr, dass es vor rund 60 Jahren Pläne gab, eine Stauanlage „Schwalstein- und Teisnachspeicher“ zu bauen.
Die untere Staumauer war im Bereich Schwalstein beziehungsweise Sägmühle angedacht, die obere in der Gemeinde Böbrach.
Schwalstein und Teisnachspeicher
Günther Bauernfeind widmet diesem Projekt in seinem Schönau-Buch ein eigenes Kapitel. Demnach wären die Bauherren der damalige regionale Energieerzeuger OBAG (Energergieversorgung Ostbayern AG) und die oberste Baubehörde gewesen. Während die OBAG den Stausee zur Stromerzeugung nutzen wollte, ging es der Baubehörde darum, ein Hochwasserrückhaltebecken zu schaffen. Laut Bauernfeind hat die OBAG „in den Jahren 1957 bis 1962 für den Bau rund 400 Hektar Grund erworben und 26 Anwesen abgelöst, wovon 18 abgebrochen wurden“. Bauernfeind nennt das Kapitel in seinem Buch „Der aufgegebene Ortsteil von Gstadt“. „Besonders problematisch erschien die Verlegung der Bahntrasse“, schreibt Bauernfeind. Deshalb wurde der Plan schließlich aufgegeben.
Aus für Wirtshaus und Sägewerk
Unwiederbringlich dahin aber waren das Wirtshaus in dem Bereich linker Hand flussabwärts an der Bahnlinie, der „Gstadterer Bräu“, ein Sägewerk, von dem man heute noch Grundmauern erkennen kann und weil auch des Haus des Fährmanns Georg Steinbauer auf der Gstadter Seite abgelöst wurde und die Fährrechte erloschen, wurde die „Regenkönig“ genannte Zille mit Drahtseilüberfuhr nach einem halben Jahrhundert stillgelegt. Emma Pertler wurde in dem Sägewerk 1951 geboren. Ihren Eltern Ludwig und Emma Weinfurtner gehörten Sägewerk und Wirtshaus. „Im Sägewerk hatten wir zwei Zimmer“, blickt Pertler, geborene Weinfurtner, zurück.
Im Sägewerk zur Welt gekommen
In einem davon kam sie zur Welt. Und weil dieser Teil von Gstadt schon zu Hinterberg gehörte, steht in ihrer Geburtsurkunde als Geburtsort geschrieben: Hinterberg, Gemeinde Geiersthal. Viele Erinnerungen verbindet sie noch heute mit dem Wirtshaus. Eigenes Bier wurde gebraut und lagerte im Erdkeller. Es gab einen Saal, in dem auch große Veranstaltungen abgehalten werden konnten. Ansonsten „sind die Bauern aus der Umgebung gekommen“. Die Mutter hatte jede Menge Ribisel, also Johannisbeeren, im Garten, die sie sehr gerne naschte.
Mit dem Zug zur Schule nach Viechtach
Ein Jahr ging sie auch noch in Viechtach zur Schule, bevor man das Haus verkaufte und die Familie wegzog. Da stieg sie morgens am Haltepunkt Gstadt in den Zug ein und wenn der Unterricht nicht passend zum Zugfahrplan endete, durfte sie beim Greinerbräu auf die Rückfahrt warten. Vor einiger Zeit, hat sie den Ort wieder einmal besucht und es hat ihr „das Herz wehgetan“. Mittlerweile lebt Emma Pertler in Regen, die Eltern aber sind in Viechtach begraben.
Josef Bielmeier erzählt vom „Bräu“

„Oft war ich beim Bräu“, erzählt Josef Bielmeier aus Gstadt, der auf 90 Lebensjahre zurückblicken kann. Mit der Fähre, oder bei Niedrigwasser zu Fuß, kam man ins Wirtshaus. Da kamen sie zusammen, die „Herentern“, also die, die wie er aus Gstadt oder Schönau und so weiter kamen, und die „Drentern“ aus Altnußberg, Enzleinsgrub und den anderen Weilern auf der linken Seite des Flusses. Man gönnte sich ein Feierabendbier, manchmal war auch Tanz. „Wir waren Kavaliere“, sagt der Sepp im Blick auf seine jungen Jahre. Die Tanzpartnerinnen wurden durchaus über den Fluss getragen. Sonntagsausflügler kehrten dort ein und Urlaubsgäste. Auch eine Kegelbahn gab es zum Vergnügen. Und wie es sich für ein richtiges Wirtshaus gehört, konnte es auch zu handfesten Auseinandersetzungen kommen.
Als die Bierkrügel durchs Wirtshaus flogen
„Ich bin mit meinem Cousin von Viechtach nach Gstadt mit dem Zug heimgefahren. Beim Bräu wollten wir noch einkehren. Dort sind aber die Bierkrügerl durch die Luft geflogen. Mein Cousin hat mich in ein sicheres Eck gezogen“, weiß der Sepp heute noch. All das ist über 60 Jahre her. Der Fährbetrieb wurde von wechselnden Fährleuten noch bis in die 1980er Jahre aufrecht erhalten. Die Fähre „wurde zuletzt vor allem von Schülern, die nach Viechtach mussten, Bahnreisenden und Wanderern gerne benutzt, gibt es doch bis heute zwischen den weit entfernten Brücken in Gumpenried und Viechtach keinen Übergang über den Schwarzen Regen“, schreibt Bauernfeind.
Was bringt die Zukunft?
Auch in jüngster Zeit hat sich der Viechtacher Stadtrat mit dem Thema Fähre beschäftigt und möchte dort wieder eine installieren. Etwas voreilig war jedenfalls jener Gastwirt in der Gemeinde Böbrach, der, wie Bauernfeind recherchiert hat, schon sein Lokal mit dem Schild „Zum Stausee“ beworben hatte.
